Reliefplatte (Nordwestpalast Assurnasirpal II. Nimrud): Geflügelter Schutzgott und Reste eines 'Heiligen Baums', assyrisch

Zeit Assurnasirpals II. (883 – 859 v. Chr.)

Antikes Original

Standort
Ausgestellt Rämistrasse 73 (RAK), Zürich, Ausstellung EG, Museum 1
Inventarnummer
1910
Kulturkreis
Neuassyrisch
Fundort
Nordwestpalast, Assurnasirpal II.; Raum L; Orthostat L-33
Herstellungsort
Nordwestpalast, Nimrud
Objektgattung
Relief
Material
Stein, Alabaster, Gipsalabaster, knollenförmig
Herstellungstechnik
Stein: Skulptiert
Masse
H: / B: / T. max: 235,0 x 137,5 x 6,0 cm

Inschrift
26-zeilig
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Beschreibung
Geflügelter, bärtiger Mann mit Hörnerkappe; in der erhobenen Rechten Koniferenzapfen, in der gesenkten Linken Situla. Zwei Dolche und ein Wetzstein am Körper befestigt. Am rechten Rand Palmetten eines 'Heiligen Baums'. Auf Höhe der Hüfte Inschrift. Schutzgottheit oder Genius (Apkallus) führt reinigendes Ritual aus. Zugehörig zu Inv. 1911. Auf diesen beiden einregistrigen Orthostaten ist je eine zweiflüglige, ansonsten gänzlich anthropomorphe Gestalt dargestellt, die eine nach rechts, die andere nach links gewandt. Beide sind durch ihre Kopfbedeckung (Hörnerkappe) als Gottheiten bestimmbar – funktional den Apkallus verwandt, aber von etwas höheren Status. Zwischen den beiden Schutzgöttern war der obligate «Baum» zu sehen, von dem auf dem linken Relief noch die Spitzen der Palmetten erhalten sind, auf dem andern die ganze rechte Hälfte des «Baumes». Unter- und Mittelteil der fehlenden linken Hälfte wurden 1974 von Janusz Meuskyński und Hazim Abdul Hamid in Nimrud noch in situ vorgefunden. Im Rücken des nach links gewandten Schutzgottes (Inv. 1911) schloss dann wiederum ein «Baum» an. Eine Hälfte davon mit den fehlenden Flügelenden der Zürcher Figur sollte heute ebenfalls noch in situ in Nimrud stehen. Die daran anschliessende Hälfte und die folgende Gruppe werden in Brooklyn aufbewahrt. Die Wände des Raumes L waren gesamthaft mit antithetischen Gruppen von Schutzgöttern und «Heiligen Baum» geschmückt; zwischen den einzelnen Gruppen stand jeweils – wie in Raum F und anderswo – ein weiterer «Baum», dem die Schutzgötter dann den Rücken zuwandten. Die reinigende Handlung der Schutzgötter ist nicht ausschliesslich auf den «Baum» zu beziehen. Die beiden Platten standen am ursprünglichen Aufstellungsort nebeneinander und bilden zusammen eine symmetrische Komposition. Abgesehen von Unterschieden, die sich aus der spiegelbildlichen Ausrichtung ergeben, sind hier die beiden Figuren in Ausstattung und Haltung sehr ähnlich. Wegen der etwas grösseren Höhe der Platten aus Raum L wirken die Figuren im Vergleich zu anderen Darstellungen relativ schlank. Da es sich um einen der bedeutsamsten Räume im rituellen «Hochsicherheitstrakt» handelte, sind die Reliefs sehr genau gestaltet und bis ins kleinste Details sorgfältig ausgeführt worden: Die Muskeln sind weich modelliert, der Koniferenzapfen ist geschuppt und als solcher gut erkennbar dargestellt, der Schmuck ist detailreicher als anderswo, die Fransen verlaufen leicht wellenförmig, die Haartracht ist sehr genau wiedergegeben. Die kalottenförmige Mütze ist schraffiert, womit eine Umwicklung oder Verzierung angegeben ist. Am Hinterkopf (nur auf Inv. 1910 erhalten) sind am Mützenrand hinter dem Ohr zwei waagrechte Streifen angebracht, die als Nackenschutz gedient haben könnten. An den Sandalen ist die rote und schwarze Farbe noch sehr gut zu erkennen. Die Figuren tragen längliche Ohrringe aus Stegen, Plättchen und einem Kugelende und sind mit grossen halbmondförmigen Perlen zusammen, welche abwechselnd auf Schnüren aneinandergereiht sind. Die Oberarme schmücken schlichte, spiralförmige Armreifen mit einfachen, linearen Gravuren an den Enden. Um die Handgelenke schmiegen sich Armreifen, die aussen viergliedrig, innen aber nur zweigliedrig wiedergegeben sind und auf denen eine neun- bzw. achtblättrige Rosette sitzt. Die beiden Dolche und der Wetzstein, die in einem Futteral unter dem Gürtel stecken, gehören zur Standardausstattung von Apkallus und Schutzgöttern. Die konkaven Dolchgriffe sind mit Sparrenmustern verziert, die Griffe der Wetzsteine zu Kalbsköpfen geformt. Bei der nach links gerichteten Figur ist ein Detail zu beobachten, das bei nach rechts gerichteten Figuren nicht dargestellt werden konnte: Unterhalb des Gürtels schauen die Enden der Dolchschneiden hervor. Sie sind als zurückgewendete Raubvogelköpfe gestaltet, an deren Hälsen jeweils eine Quaste hängt. Nach: E. Mango und C. Uehlinger, in: E. Mango – J. Marzahn – C. Uehlinger (Hrsg.), Könige am Tigris. Medien assyrischer Herrschaft. Ausstellungskatalog Zürich (Zürich 2008) 107–108 Kat. 3. Zur Kontextualisierung in der Literatur: E. Mango und C. Uehlinger, in: E. Mango – J. Marzahn – C. Uehlinger (Hrsg.), Könige am Tigris. Medien assyrischer Herrschaft. Ausstellungskatalog Zürich (Zürich 2008) insb. 107–108 Kat. 3. Zur Auflistung der Museen in welche sich Platten des Nordwestpalastes von Assurnasirpal II. befinden: http://oracc.museum.upenn.edu/nimrud/catalogues/museumsworldwide/index.html#nwp-nd-map
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Erhaltungszustand
Mit der Seilsäge, vor dem Abtransport aus Nimrud, in drei Streifen unterteilt (Spuren an den Schnittkanten gut erkennbar). Jeder Streifen weist eine unterschiedliche Tiefe auf, was darauf hinweist, dass die Reliefs zuerst horizontal zersägt und erst dann die Tiefe mittels eine Seilsäge verringert wurde. Der oberste der dreu Streifen weist einige abgebrochene Stellen auf, so an der linken oberen und unteren Ecke, in der Mitte im Bereich des Kopfes, an der rechten oberen Ecke sowie am unteren Plattenrand. Entlang der Oberkante sind verschiedene Bestossungen zu sehen. Der mittlere Plattenteil ist bis auf ein modernes Loch, das zusammen mit zwei weiteren auf dem untersten Plattenteil zur Befestigung der Platten untereinander diente, unbeschädigt; die Löcher rühren von der Aufstellung im Helmhaus im 19. Jahrhundert her. Der unterste Plattenteil ist entlang der linken Wade gebrochen und weist weitere Risse im Schienbeinbereich auf; einige Teile fehlen und sind mit Gips ergänzt. Spuren der originalen Bemalung (rot und schwarz) an den Sandalen. Schnittkanten: Die mittels einer Seilsäge entstandenen waagrechten Schnitte zwischen den Platten sind sehr sauber ausgeführt; der dadurch entstande Plattenverlust beträgt max. 3 mm. Die Oberkante des obersten der drei Streifen weist die antike Oberfläche auf. Die Unterkante des untersten Streifens ist teilweise bestossen. Die Platte wurde auch an beiden Langseiten abgesägt; von der (linken) Hälfte des anschliessenden "Heiligen Baumes" sind deshalb nur die äussersten Enden von zehn Palmetten erhalten; der Rest befindet sich in situ in Nimrud.
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Bibliographie
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Ausstellungen
Dauerausstellung, Archäologische Sammlung der Universität Zürich, Zürich, 24.05.2022 - 31.12.2024
Dauerausstellung, Archäologische Sammlung der Universtät Zürich, Zürich (RAK-E-9), 10.07.2019 - 25.10.2020
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